8. Februar 2021

Bauen im Außenbereich – Bewertung einer ehemaligen landwirtschaftlichen Hofstelle


8. Februar 2021

Die Bewertung von Bestandsgebäuden im Außenbereich stellt Bewertungssachverständige regelmäßig vor einige Herausforderungen. Das fängt beispielsweise damit an, dass es für vergleichbare Immobilien i.d.R. keinen Bodenrichtwert gibt. Hinzu kommt oftmals, dass der ursprüngliche Priviligierungsgrund - z.B. Landwirtschaft - zwischenzeitlich weggefallen ist. Eine erneute Baugenehmigung würde also nicht erteilt werden.

Im vorliegenden Bewertungsfall hatte meine Auftraggeberin bereits ein Gutachten durch den örtlichen Gutachterausschuss erstellen lassen. Im Ergebnis muss man festhalten, dass der Gutachterausschuss mit der Aufgabenstellung heillos überfordert war und das Gutachten eklatante Mängel aufweist. Daher wurde ich mit der erneuten Erstellung eines Verkehrswertgutachtens beauftragt.

Über welche Fallstricke ist der Gutachterausschuss (GAA) im Wesentlichen gestolpert?

Falsche Annahme zum Bestandsschutz

Zunächst behauptet der GAA, dass eine "Wiederbebbauung des Grundstücks nach eventuellem Abriss der vorhandenen Baukörper nicht zulässig" sei. Dem ist jedoch nicht so. § 35 Abs. 4 BauGB stellt eine besondere Privilegierung für bestimmte Nutzungsänderungen, Ersatz- und Erweiterungsbauvorhaben dar. Die in § 35 Abs. 4 Nr. 2 geregelte Zulässigkeit von Ersatzbauvorhaben für abgängige (veraltete) Wohngebäude geht dabei über den Bestandsschutz hinaus, da dieser nicht die Errichtung von Ersatzbauten zulässt.

Problem nicht zu Ende gedacht 

Wenn man schon (irrtümlich) davon ausgeht, dass die Gebäude am Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer nicht erneuert werden dürfen (da keine Privilegierung mehr gegeben ist), dann sollte sich dieser Umstand konsequenterweise im Bodenwert widerspiegeln. Denn dies würde ja bedeuten, dass das Grundstück freigelegt werden muss und danach nur noch als landwirtschaftliche Fläche, z.B. Acker oder Grünland, genutzt werden kann. Ein solcher Gedankengang wurde jedoch im Gutachten nicht einmal ansatzweise erwähnt.

Wahl des falschen Bodenrichtwerts

Aufgrund der Nähe zur vorhandenen Wohnbebauung hat der Gutachterausschuss als Basis für den Bodenwert den Bodenrichtwert der angrenzenden Wohnbaufläche herangezogen. Hierbei verkennt er allerdings, dass eine landwirtschaftliche Hofstelle in einem Wohngebiet, in Bebauungsplänen mit WA oder WR bezeichnet (vgl. §§ 3 und 4 BauNVO), dort gar nicht zulässig wäre - auch nicht ausnahmsweise. Vielmehr entspricht der Charakter einer landwirtschaftlichen Hofstelle den Regelungen eines Dorfgebiets (§ 5 BauNVO) oder eines Mischgebiete (§ 6 BauNVO). Daher wäre es konsequent und richtig, als Basis den Bodenrichtwert des nächstgelegenen Dorf- oder Mischgebietes heranzuziehen. Dies entspricht auch der herrschenden Wertermittlungslehre.

Keine Berücksichtigung der durchgeführten Modernisierungen

Das Wohnhaus der landwirtschaftlichen Hofstelle wurde in den letzten Jahren immer wieder modernisiert. So wurde die Heizungsanlage erneuert, die Fenster komplett ausgetauscht und das Dach neu gedeckt, inklusive einer deutlichen Verbesserung der Wärmedämmung. Dies sind Maßnahmen, die zu einer Verlängerung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer führen. In seinem Gutachten hat der Gutachterausschuss die Modernisierungen zwar erwähnt, dann aber die Restnutzungsdauer stur nach Schema F (Herstellungsjahr + Gesamtnutzungsdauer - Bewertungsjahr) ermittelt. Hinzu kommt, dass auch die übrigen Baukörper der Hofstelle (z.B. Scheune), mit der gleichen wirtschaftlichen Restnutzungsdauer bewertet wurden wie das Wohnhaus.

Warum tut sich der örtliche Gutachterausschuss so schwer? 

Diese Frage ist relativ leicht zu beantworten. Unsere lokalen (kleinen) Gutachterausschüsse sind personell oft unterbesetzt und kommen daher bereits ihren Pflichtaufgaben, z.B. der Auswertung der Kaufverträge und die Ableitung von Bodenrichtwerten und wertrelevanten Daten, nur unzureichend nach. Daher fehlt oft die Zeit für fachliche Weiterbildungen und die Zeit für Gutachten - also die Bewertungspraxis. Es ist nichts außergewöhnliches, dass kleine Gutachterausschüsse oftmals nur 2-5 Gutachten pro Kalenderjahr erstatten. 

Daher haben sich viele Gutachterausschüsse im vergangenen Jahr auch aufgelöst und zu regionalen Gutachterausschüssen zusammengeschlossen. Diese Entwicklung ist zu begrüßen. Hintergrund hierfür sind jedoch in erster Linie die kommenden Anforderungen an die Gutachterausschüsse im Zusammenhang mit der Reform der Grundsteuer. Konstituierungs- und Anlaufschwierigkeiten werden uns in 2021 und 2022 sicherlich noch begleiten.

Anders sieht es dagegen in unseren größeren Städten wie Pforzheim, Böblingen, Sindelfingen, Baden-Baden, Bühl, Karlsruhe oder Stuttgart aus. Hier arbeiten die Gutachterausschüsse aufgrund ihrer personellen Stärke hoch professionell.

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